AUFMASS

Markt 4

Nach einem Jahr in der Stadt scheint es mir nicht möglich, eine Darstellung des Ortes mit Worten und Bildern zu realisieren. Es bedarf einer Tätigkeit, um eine adäquate Formulierung  meines Verhältnisses zu Alsleben und seinen Bewohnern zu finden: Für 7 Tage beziehe ich ein seit längerem unbewohntes Haus im Stadtzentrum und beginne, unter den irritierten Blicken der Einheimischen aufzuräumen, vorzurichten und den Garten wieder anzulegen. Ich beginne, wie sie in den 90er Jahren, mit Begeisterung und neuen Ideen. Für mich ist es ein Experiment auf Zeit, für sie war es ein Teil ihres Lebens. Das Haus stand danach mehrere Jahre in dem von mir hinterlassenen Zustand leer und wurde später abgerissen.

Teil des Projektes AUFMASS*

Markt 4_ „Der Bürger, Brauer und Kürschnermeister Joh. Gottfried MÜLLER baut wegen der Freijahre (Steuerbefreiung) und Vergütung 1747(?) ein 2-Etagen-Wohnhaus am Markte: 1/2 Ruthe breit, 38 Fuß lang, 96 Fuß nebst Seitengebäude von 28 Fuß Länge und 22 Fuß Breite.“ Vom 3. bis 9. September 2007 erhalte ich die Erlaubnis, das Haus Markt 4, Eigentum der Stadt Alsleben, verwaltet durch die Bernburger Bau- und Wohnungsgesellschaft mbH und von dieser seit mehreren Jahren für 10.000 Euro zum Verkauf ausgeschrieben, zu nutzen. Weiterhin stellt mir der Eigentümer 1Tisch und 2 Stühle zur Verfügung.

Donnerstag, 13. September 2007_Ich möchte den Schlüssel zurückgeben. Da bei der Wohnungsgesellschaft alle bis zum 27. 09. im Urlaub sind, stecke ich ihn ein Kuvert und werfe dies, versehen mit einer kurzen Notiz über Name und Herkunft, in den Briefkasten am Pulverhof 6.

*AUFMASS
Austauschbar, alles wie erwartet?
Mir stellt sich die Frage nach der Beschaffenheit von Orten, nach der Möglichkeit sich anzunähern und Eindrücke festzuhalten, ohne lediglich bestehende Klischees zu bestätigen.
Um eine Antwort zu finden, arbeite ich für ein Jahr in Alsleben, einer, von massivem Leerstand betroffenen Kleinstadt, 30km nördlich von Halle. Durch mehrere Projekte trete ich in Interaktion mit den Bewohnern der Stadt und dokumentiere meine Arbeit in Grafiken und Texten. Dabei muß ich feststellen, dass jeder Versuch einer Aufzeichnung immer auch das Bestreben nach einer unvoreingenommenen, objektiven Darstellung in Frage stellt.